Jena und Umland diskutieren Lösungen für Wohnraum-Mangel
Fachtagung erörtert Herausforderungen gemeinsamer Wohnungspolitik
Wie begegnen wir der hohen Nachfrage an Wohnraum mit guten Lösungen zwischen Stadt und Umland? Ideen und Lösungsansätze zu dieser Frage sowie bisherige Erfolge und Herausforderungen einer gemeinsamen Wohnungspolitik diskutierten am Donnerstag Forschende aus ganz Deutschland, kommunale Vertreter von Stadt und Umland, dem Wohnungsunternehmen JenaWohnen und der Wirtschaftsförderung Jena in der Imaginata. Rund 60 Teilnehmende folgten der Konferenz mit nationalen Wissenschaftlern vor Ort bzw. online.
Die Kooperation mit dem Umland ist eines der zentralen Themen für den Jenaer Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche (FDP). Im Rahmen seiner Einführung sprach er zu den aktuellen Rahmenbedingungen in der Region Jena: „Die Miet- und Baupreise steigen, die Bevölkerung in städtischen Gebieten wächst und nimmt gleichzeitig auf dem Land ab, die Inflation steigt: Wohnungsfragen lassen sich nicht mehr nur allein auf kommunaler Ebene beantworten.“ Notwendig sind laut Nitzsche kooperative Ansätze und Lösungen, wie Wohnraum zukünftig gemeinsam entwickelt werden kann.
Wie könnten Wohnungsfragen zwischen Stadt und Umland bearbeitet werden? Mögliche Antworten wurden in Vorträgen von Fachleuten aus Praxis, Politik und Wissenschaft erörtert. Laut Lars Liebe, Fachdienstleiter Stadtentwicklung der Stadt Jena, müsse „Jena vordergründig selbst seine Hausaufgaben machen“ und die kommunale Planungshoheit erfüllen. Um ergänzend auch gemeinsame Projekte erfolgreich umzusetzen, brauche es Vertrauen, gemeinsame Regeln und eine gemeinsame Vision.
Thematisiert wurde unter anderem, welche rechtlichen Rahmenbedingungen notwendig sind, um eine Zusammenarbeit zwischen Stadt und Umland zu institutionalisieren. Als Beispiel führte Wilfried Röpke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, die gemeinsame Gewerbefläche von Jena und der Gemeinde Rothenstein im Süden der Stadt an. Hier sorgten eine Zweckvereinbarung und klare finanzielle Spielregeln dafür, dass das erste interkommunale Gewerbegebiet erfolgreich angestoßen wurde. Ein vergleichbares Vorgehen muss nun auch für Wohnflächen folgen. Denn: „Wir erleben in unserem Alltagsgeschäft immer wieder, dass die Suche nach passendem Wohnraum für neue Fachkräfte eine der größten Herausforderungen für den Standort darstellt.“ Neben passenden Flächen müsse außerdem die Infrastruktur vor Ort passen, damit sich Menschen gemeinsam mit ihren Familien gut einleben können.
Auch Jan Schönfeld, Bürgermeister aus Kahla, betonte, wie wichtig klare Regeln zwischen Stadt und Umland sind: „Gegenseitiges Vertrauen ist die wichtigste Grundlage bei solchen Projekten“, so Schönfeld, der vor Ort die Perspektive der Umlandgemeinden darlegte. Einige Bürgerinnen und Bürger hätten Sorge, dass kleine Orte nur als „Flächenspender“ angesehen werden und eine Großstadt sehr dominant werden könnte. Im Idealfall sollte es immer um „Geben und Nehmen“ gehen und auf Augenhöhe miteinander gesprochen werden.
Wo dies bereits passiert, berichtete Tobias Wolfrum, Geschäftsführer von JenaWohnen und der Stadtwerke Jena Gruppe. Laut Wolfrum funktioniere die regionale Kooperation unter anderem beim Abwasserzweckverband sehr gut. Auch die Vereinigung der Jenaer Nahverkehrsgesellschaft und der JES Verkehrsgesellschaft als Mutter-Tochter-Gesellschaft führte Wolfram als bereits gelebtes Beispiel regionaler Kooperation an: „Hier können wir Ideen für das Thema Wohnen ableiten“, so der Stadtwerke-Chef.
Und wie geht es jetzt konkret weiter, um bedarfsgerechten Wohnraum in der Region Jena zu schaffen? Laut Prof. Sebastian Henn vom Lehrstuhl Wirtschaftsgeografie der Friedrich-Schiller-Universität soll diese Frage u.a. durch das gegenwärtig laufende Forschungsprojekt „Interkommunale Wohnflächenkonzepte als Instrument des nachhaltigen Flächenmanagements in großstädtischen Wachstumsräumen“ beantwortet werden: „Essentiell ist es, den Status Quo transparent zu erfassen. Nur so können wir tatsächliche Bedarfe und Potentiale abbilden und damit in den nächsten Jahren benötigte Projekte initiieren“, so Henn. Gleichzeitig sei es außerdem wichtig, bewusste Entscheidungen im Sinne einer nachhaltigen Planung zu treffen. „Die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen – Flächen, Materialien, usw. – sind endlich und müssen klug und zukunftsfähig genutzt werden.“
Viel zu tun also für die Region Jena. Denn: Der Bedarf an Wohnraum ist groß und die Region braucht weiteren Zuzug, um den bevorstehenden demographischen Herausforderungen gemeinsam zu begegnen. Der derzeitige Leerstand in Jena liegt bei zwei Prozent und nicht alle individuellen Wohnpläne sind aktuell in der Stadt realisierbar. Gleichzeitig setzen neu hinzuziehende Fachkräfte hohe Anforderungen an ihr Lebens- und Wohnumfeld. Dazu gehören eine gute Nahversorgung, Freizeitmöglichkeiten und eine gute Nahverkehrsanbindung. Hohe Erwartungen also, die die Stadt Jena nun in Kooperation mit den umliegenden Gemeinden angehen möchte.
Hintergrund:
Die Fachtagung „Interkommunales Wohnen“ fand am 17.11.2021 in der Imaginata Jena statt. Folgende Fachvorträge lieferten Input für die gemeinsame Diskussion:
- „Interkommunale Kooperation auf Augenhöhe – organisatorische und institutionelle Ansätze“ (Prof. Dr. Axel Priebs, Universität Kiel)
- „Monitoring als Grundlage für Stadt-Umland-Kooperationen“ (Prof. Dr. Matthias Pietsch ,Hochschule Anhalt)
- „Kooperation und Partizipation – räumliche Umgriffe und Ansätze“ (Dr. Thomas Zimmermann, Hafen City Universität Hamburg)
- „Daten als Basis von interkommunalem Wohnen“ (Thorben Sell, Friedrich-Schiller-Universität Jena)
- „Wohnen in der Region - ein Ausblick“ (Prof. Dr. Sebastian Henn, Friedrich-Schiller-Universität Jena)
- „Aktuelle Stand der Interkommunalen Zusammenarbeit in der Region Jena“ (Lars Liebe, Stadt Jena)