Neuer Sinn für leere Räume
Fachabend zum Umgang mit Leerstand und veränderten Nutzungsansprüchen in Jena
Jena ist im Wandel - Die Konkurrenz um die Nutzung freiwerdender oder leerstehender Räume nimmt seit Jahren kontinuierlich zu. Seien es Start-Up-Flächen, Vereinsräume, Ateliers oder Proberäume – Für viele Akteure ist es oft äußerst schwer passende und vor allem bezahlbare Räumlichkeiten zu finden. Die temporäre Nutzung ist dabei eine Möglichkeit leerstehende Flächen wiederzubeleben. Unter dem Motto „Neuer Sinn für leere Räume“ vermittelt „blank“, Jenas Agentur für Zwischennutzung, erfolgreich leerstehende Objekte. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung Jena (JenaWirtschaft) gibt die Agentur im Rahmen einer Fachtagung einen Einblick in ihre Arbeit sowie einen Überblick über verschiedene Zwischennutzungsprojekte in Thüringen und darüber hinaus.
Die Leerstandquote in Jena, beispielsweise im Bereich von Büroflächen, ist mit rund zwei Prozent zwar verschwindend gering, aber dennoch gibt es immer wieder Flächen, wo sich die Folgenutzung verzögert. Zugleich gestaltet sich die Suche für viele Akteure schwierig. Aufgrund dessen wurde vor einem Jahr durch die Stadt Jena und die Bürgerstiftung die Zwischennutzungsagentur „blank“ ins Leben gerufen. „Mit der Agentur ist eine Anlaufstelle entstanden, die Freischaffende, Existenzgründende und Kunstakteure der Region bei der Suche und Anmietung von Räumen unterstützt“, freut sich Bürgermeister Christian Gerlitz. „So stellen wir sicher, dass die bestehenden sowie knappen Ressourcen in Jena sinnvoll genutzt werden und erhöhen zeitgleich auch die Attraktivität und Anziehungskraft für Stadtteile auch außerhalb des Zentrums“, so Gerlitz.
Dies betont auch Katrin Hitziggrad, Leiterin bei blank. Im Gegensatz zu anderen Standorten wo Zwischennutzungen vorrangig den Abbau des Leerstandes zum Ziel haben, sehe man den Nutzen in Jena vorrangig in der Aufwertung der Aufenthaltsqualität einzelner Standorte durch neue und wechselnde Angebote, berichtet sie. „Eine sinnvolle Nutzung leerer Räume ist für uns gelebte Nachhaltigkeit, welche die Kultur- und Kreativszene der Stadt stärkt und Jena bunter und reicher für alle Beteiligten macht“, so Hitziggrad.
In Zwischennutzung und kreativen Raumnutzungen steckt nicht nur ein sozialer Mehrwert für die Stadt, sondern auch ein ökonomischer, wie Patrick Werner von der Wirtschaftsförderung Jena weiß: „Aus einigen Zwischennutzungen werden neue Geschäftsmodelle. Die wiederrum ein Sprungbrett zur Unternehmensgründung oder -veränderung sein können, wovon letztendlich die gesamte Jenaer Wirtschaft und Stadtgesellschaft profitiert.“
Dass über das Mittel der Zwischennutzung erfolgreiche und wirtschaftlich tragfähige Konzepte entstehen, zeigte sich auf der gestrigen Fachtagung. Vertreter:innen aus Stadtpolitik, Immobilienwirtschaft und Kulturszene kamen im Jenaer TRAFO zum gemeinsam Erfahrungsaustausch zusammen. Akteure konnten sich zu erfolgreichen Projekten aus Jena, Thüringen und der Region informieren und direkt vernetzen. Jonathan Linker von „Summer of Pioneers“ berichtete eispielsweise über die Zwischennutzung von Wohn-und Gewerberäumen in Kleinstädten und auf dem Land. Wie ein selbstverwaltetes „Zentrum für Beteiligungskultur“ entstehen kann, schilderte Franziska Bernstein, Geschäftsführerin des Vereins Alte Feuerwache Weimar e.V. Im Rahmen der Tagung kam auch die Jenaer Jungunternehmerin Franziska Grabe, Modedesignerin für Kleidung, zu Wort. Mit ihrem Label „Fraenne“ ist diese immer wieder im Pop-Up-Store des Leuchtturms Jena zu finden, auf eine dauerhafte Anmietung einer Ladenfläche verzichtet sich aktuell noch komplett. „Der Pop-Up-Store war ein Testlauf und ich war überwältigt vom positiven Feedback. Dadurch habe ich ein Gefühl dafür bekommen, was es alles braucht, um einen Laden zu führen. Ich könnte mir in Zukunft auch vorstellen eine dauerhafte Ladenfläche zu mieten", beschreibt Grabe Ihre Erfahrungen.
Alle vorgestellten Projekte machen deutlich, dass Räume, die auf den ersten Blick schwer nutzbar erscheinen, auf den zweiten Blick oft völlig neue Möglichkeiten für kreative Akteure bieten. Damit entsteht zugleich ein Mehrwert für Eigentümer:innen und die Gesamtstadt. „Oftmals braucht es nur den Mut der Beteiligten Neues zuzulassen und unkonventionell zu denken“, resümiert Katrin Hitziggrad.